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GANZ GROßE FUGEGANZ GROßE FUGE

GANZ GROßE FUGE

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Rochus Aust

Beethovens GROßE FUGE (op. 133) wurde bei ihrer Uraufführung von der zeitgenössischen Kritik geradezu zerrissen, sie klänge wie chinesisch: völlig unverständlich. Dies nimmt der Kölner Medienkünstler Rochus Aust zum Anlass, um mit vier Chinesen, einem marokkanischen Tänzer und einem italienischen Schiedsrichter ein Fahrradrennen im Kreuzgang auf dem Michaelsberg zu inszenieren: die GANZ GROßE FUGE. Eine multimediale Flucht vor der Kritik von 1826. Für Stromorchester mit virtuellem Streichquartett. In beethovenscher Echtzeit. Viersprachig und mit Knieschonern.

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GANZ GROßE FUGE

Transmediale Konzert-Installation

Kreuzgang des KSI auf dem Michaelsberg, Siegburg

Aufführung: 08.03. um 11.00 Uhr und um 16.00 Uhr, im Anschluss steht der Künstler für Gespräche zur Verfügung

Installation: 06.03. – 15.03.


GANZ GROßE FUGE

transmediale Konzert-Installation


für

vier chinesische Radfahrer

marokkanische Tänzerin/Sängerin

italienischen Schiedsrichter

deutsches Stromorchester

virtuelles Streichquartett

multi-channel Video- und Audio-Realisation/-Deskription


1. DEUTSCHES STROMORCHESTER

Rochus Aust · Raumordnung/Troaxofon/Geräte

Florian Zwissler · Analog-Synthesizer/Klangregie/Geräte 

Fosco Perinti · Schiedsrichter/Geräte

Safae Bennouna · Tänzerin/Sängerin/Geräte

Marius Li-Jia Cheng · Radfahrerin Zhong Tianshi

Lydia Man-Xing Cheng · Radfahrerin Jiang Yonghua

Jael Mei-Shi Cheng · Radfahrerin Guo Shuang

Arnette Urubio · Radfahrerin Gong Jinjie

Jan Verbeek · live-Video


VORAUSSETZUNGEN/VORWORT

Die Fuge (lat. Fuga: Flucht) ist als kompositorisches Prinzip seit Jahrhunderten in der Musik verankert und wird ausgiebig praktiziert, fortentwickelt und geliebt.

Die Fuge als hin-zunehmende physische Begrenzung von Materialien, bezogen auf ihre Verarbeitung (z.B. bei speziellem Gewicht), ihre Herstellung (z.B. bei speziellen Größen) und/oder ihre spezifischen Eigenschaften (z. B. bei speziellen Temperaturen) wird ständig durch aktuelle Technologien neu definiert und eingesetzt (Brückenbau, Kachelverarbeitung vom Badezimmer bis zum Space-Shuttle etc.).

Der Fuge als Sollbruchstelle – sowohl im Technischen, als auch im Künstlerischen – wird eine besondere Position eingeräumt, da sie – gewollt oder ungewollt – den Fluss der Dinge ständig in Veränderung hält und das (forschende/arbeitende oder/und rezipierende) Publikum wach hält.

Die Fugen (und Fluchten) zwischen Gesellschaften, Nationalitäten, Nachbarn und Einzelpersonen im Allgemeinen werden dagegen hingenommen. An ihnen wird nur selten getüftelt. Im Gegenteil: sie werden vertieft, statt geglättet, was schnell zu viel zitierten „unüberwindbaren Gräben“ mutiert.


Warum also ist der mit dem Grundthema vertraute und darin gut trainierte und darüberhinaus mit der DNA des Humanisten irgendwo ausgestattete Mensch – sagen wir Europäer – nicht in der Lage, Überträge oder Transferleistungen zu schaffen, die das Wissen und Fühlen in das tägliche menschliche Agieren einbeziehen?


BEETHOVEN

Wenn Beethoven seine Große Fuge op. 133 aus dem Streichquartet op. 130 (mehr oder minder freiwillig) extrahierte, sie solitär präsentierte und damit nahezu zusammenhangslos zur Disposition stellte, mag er das oben Geschriebenen vorausschauend und an uns weitergebend erfasst haben, quasi als Auftrag an die Zukünftigen.


MOGELPACKUNG?

Was sich hier beim ersten Lesen als großer gesellschaftlicher Wurf mit geschickter antragskonformer Idee und leicht spleeniger (nicht zu abwegiger) Besetzung, als technologisch-künstlerisch advanced und glückverheißend barrierefrei, international und Randgruppen fördernd darstellt, sich auf den großen Jubilar Beethoven fokussiert und eines seiner „schwierigsten“ Werke einbezieht, ist aber (nur) ein sehr konsequentes Arrangement. Und das nicht einmal ein Arrangement des Originals, sondern des bitteren Abbildes eines Zeitgenossen, nicht einmal der Musik, sondern der kritischen Verschriftlichung des Unverständnisses:


ALLGEMEINE MUSIKALISCHE ZEITUNG

„Aber den Sinn des fugirten Finale wagt Ref. nicht zu deuten: für ihn war es unverständlich, wie Chinesisch. Wenn die Instrumente in den Regionen des Süd- und Nordpols mit ungeheuern Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wenn jedes derselben anders fugirt und sie sich per transitum irregularem unter einer Unzahl von Dissonanzen durchkreuzen, wenn die Spieler, gegen sich selbst misstrauisch, wohl auch nicht ganz rein greifen, freylich, dann ist die babylonische Verwirrung fertig; dann giebt es ein Concert, woran sich allenfalls die Marokkaner ergötzen können, denen bey ihrer hiesigen Anwesenheit in der italienischen Oper nichts wohlgefiel, als das Accordiren der Instrumente in leeren Quinten, und das gemeinsame Präludiren aus allen Tonarten zugleich. Vielleicht wäre so manches nicht hingeschrieben worden, könnte der Meister seine eigenen Schöpfungen auch hören. Doch wollen wir damit nicht voreilig absprechen: vielleicht kommt noch die Zeit, wo das, was uns beym ersten Blicke trüb und verworren erschien, klar und in wohlgefälligen Formen erkannt wird.“ (1826)

Die GANZ GROßE FUGE

spielt mit und wird gespielt von den Faktoren der verschriftlichten Kritik von 1826:


Vier babylonische Chinesen · deren doppelte Unchristlichkeit – eben babylonisch und chinesisch – nur durch ihr Gefährt, dem Fahrrad*, verständlich werden und die selbst Verständnis/Unverständnis zeigen, indem sie die Akustik für die Installation (live) erzeugen oder eben auch nicht.**


Eine marokkanische Tänzerin/Sängerin · die nur leere Quintsprünge tanzt und dabei in allen Tonarten – europäischen wie außereuropäischen – plappert, brabbelt und präludiert.


Ein italienischer Schiedsrichter · ist immer gut zu gebrauchen.


Ein virtuelles Streichquartett · das sich unhörbar auf vier Monitoren durch das Originalwerk hindurch rackert und dessen Spielen in einer spezifischen Video-Deskription für Gehörlose (und andere) zugänglich gemacht wird.


Eine Kopie des (virtuellen) Streichquartetts · das sich unsichtbar auf vier Monitoren durch das Originalwerk hindurch rackert und dessen Bild in einer spezifischen Audio-Deskription für Blinde (und andere) zugänglich gemacht wird.


Ein Publikum · das 16 Minuten lang zwischen allen Fronten von Humor und Seriösität, von Werk und Abbild, von Analyse und Intuition, von Form und Inhalt, von Mensch und Maschine, von Vergangenheit und Gegenwart und von Kritik und Huldigung hin und her gerissen wird.


*In meiner Kindheit pflegte mein Vater zu sagen: „Wartet ab, bis die Chinesen auf Ihre Fahrräder steigen und zu uns rüber fahren!“ Ich erinnere diesen Satz noch deutlich früher als die Für-Elise-Klänge meiner inbrünstigen Cousine am Klavier. Dies weiß ich so genau, weil ich mir schon beim ersten Anhörenmüssen ähnlich inbrünstig wünschte, die Chinesen kämen doch nun endlich angefahren. Da die Chinesen nicht kamen, war ich meinem Vater ähnlich böse, wie Herrn Beethoven für diese Musik.

Erst im Jahr 2020 verstehe ich meinen Vater richtig: das Fahrrad als Sinnbild für ungebremsten Wachstumskapitalismus oder/und für elektronische ggf. echte Viren, die quasi ohne Zutun zu uns „rüber fahren“. Welch’ eine Voraussicht!

Und Herrn Beethoven endlich auch: Welch’ eine betörende Warteschleife bis dahin! Für mein kindliches Verlangen nach radelnden Chinesen entschuldige ich mich aufrichtig bei beiden.


**Sind vier Chinesen auf dem Fahrrad rassistischer als drei Chinesen auf dem Kontrabaß? John Cage hat dazu eine sehr klare Antwort (was die Straße betrifft), auch wenn diese für manche nur schwer zu ertragen ist und es darum gerade garnicht geht. Betrachten wir die Bewegungsmuster in Zeiten von COVID-19 ist uns der Kontrabaß selbstverständlich lieber (man kann ihn bspw. auf einem Kreuzfahrtschiff zurücklassen). Aber auch darum geht es nicht.

Worum es geht Ist, ob es Chinesen und Marokkanern zumutbar ist, solch’ einen weiten Weg in ihre Bewegungsmuster einzubauen, nur um einer Kritik von 1826 zu entfliehen?

Und ob es nicht am rassistischten ist, sie alle am Ende der Flucht oder Fuge (mit welchen Fahrzeugen/Instrumenten auch immer) einem italienischen (!) Schiedsrichter auszuliefern?

Als deutscher Stromorchestrant fühle ich mich dem Humanismus verpflichtet, weshalb ich einwenden möchte, dass es ja auch noch viel schlimmer hätte kommen können, nämlich, wenn wir das viele schöne Preisgeld hergenommen hätten, um am Nordpol UND am Südpol mit einem Chinesen, einem Marokkaner, einem Babylonier und einem Italiener jeweils ein Streichquartett zu trainieren, anstatt in der Stadt Siegburg stellvertretend chinesische Olympioniken mit der Aufgabe zu betrauen.


Rochus Aust

*1968 in Recklinghausen

lebt und arbeitet in Köln

www.rochusaust.de

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