Florian Tuercke
Die Geräuschkulisse des öffentlichen Raums verändert sich durch spezielle Instrumente und ein Tonstudio in einem weißen Transporter zu einem Klangteppich. Das Klangkunstprojekt filtert in Echtzeit und analog aus dem Stadtlärm musikalische Klänge und lässt eine Live-Symphonie erleben, in der eine Stadt Musik wird.
URBAN AUDIO
Eine Stadt wird Musik
Klangkunst-Projekt
Öffentlicher Raum, Stadt Siegburg
Besuch der Klanginstallation und
Gespräch mit dem Künstler: 06.03. – 15.03.
“If you listen to Mozart or Beethoven, you see that they are always the same, but if you listen to traffic, you see it’s always different.“ (John Cage im Interview, New York, April 1991)
Diese Zitat von John Cage mag zunächst verstörend wirken. Wie kann er behaupten, dass die wunderbaren Symphonien und Konzertstücke von solch musikalischen Schwergewichten wie Mozart und Beethoven immer gleich klingen und dass Verkehrslärm immer anders klingt, zumal dies, besonders im Bezug auf das konstante Rauschen des Verkehrs, so gar nicht unserer Alltagserfahrung entspricht? Dass Cage, der ja auch für seinen scharfen Humor bekannt war, mit dieser Aussage lediglich provozieren wollte, ist jedoch unwahrscheinlich. Vielmehr bezieht er sich auf Komposition und Aufführungspraxis. Gewiss haben Dirigenten bei klassischen Werken einen gewissen Interpretationsspielraum, und andererseits folgt auch der Straßenverkehr bestimmten gegebenen Regeln, jedoch gibt es bei Zweitgenanntem Raum für Zufälliges und Unvorhergesehenes.
Die Geräuschkulisse des öffentlichen Raumes kann man also durchaus aus kompositorischem Blickwinkel betrachten – als sich ständig verändernde Komposition, die von einer Vielzahl von Urhebern geschaffen wird. Assoziationen zum gesellschaftlichen Zusammenleben sind hier nicht ganz unbeabsichtigt.
“The sound experience which I prefer to all others, is the experience of silence. And this silence, almost anywhere in the world now is traffic.” (John Cage im Interview, New York, April 1991)
An der Bedeutung hinter John Cage‘s Worten hat sich bis heute wenig geändert. Zwar sind Verbrennungsmotoren über die letzten Jahre leiser geworden, große LKW weitestgehend aus den Innenstädten verschwunden, und zunehmend Elektroautos unterwegs, dennoch ist der motorisierte Individualverkehr noch immer ein allseits gegenwärtiger Sound in unseren Städten.
Erwiesenermaßen verursacht Lärm Stress, und ein gestresster Geist ist in der Regel wenig offen für neue Gedanken, Anregungen und Eindrücke. Doch verlangen uns gerade die klimabedingten Veränderungen eine Offenheit für neue Gedanken und Konzepte zum urbanen Leben ab.
Die Idee hinter dem Klangkunst-Projekt URBAN AUDIO des Nürnberger Künstlers Florian Tuercke, ist es, die hektische und aggressive Struktur von Stadtlärm in musikalische Abstraktionen zu verwandeln um so Bürgern und Besuchern einen neuen Blick auf den gewohnten Stadtraum zu ermöglichen.
Die musikalische Abstraktion des Stadtraumes erfolgt durch die Filterung musikalischer Frequenzen aus dem urbanen Klangbild. Der Prozess vollzieht sich analog und in Echtzeit mit Hilfe von gestimmten Saiten in speziellen Instrumenten, die Tuercke extra für diesen Zweck entwickelt und gebaut hat. Die Instrumente werden im städtischen Raum aufgestellt, wo sie jeweils die Geräusche aus ihrer direkten Umgebung zu musikalischen Klängen filtern, die sie wiederum an das im Inneren eines Transporters befindlichen Tonstudio senden. Hier werden die Klänge aus den Instrumenten zu einer Stereo-Spur gemischt, die für Besucher auf Kopfhörern ausgegeben wird.
Im Gegensatz zur ursprünglichen, Stress auslösenden Geräuschkulisse des Stadtraumes sind die musikalisch gefilterten Stadtgeräusche angenehm und wirken entspannend. Dieser akustische Perspektivwechsel ermöglicht dem Zuhörer das gewohnte urbane Umfeld auf eine neue Weise zu erleben, und so Details und Aspekte zu entdecken, die dem gestressten Geist verborgen bleiben.
Das Projekt URBAN AUDIO findet im Rahmen von “Beethoven Reloaded” in Siegburg statt. Florian Tuercke wird mit dem Projekt an verschiedenen innerstädtischen Orten zugegen sein. Bürger und Besucher der Stadt sind eingeladen die Musikwerdung von Siegburg Live mitzuerleben. Die bereitstehenden Stühle und Kopfhörer laden dazu ein zu verweilen, sich zu entspannen und die Stadtsymphonie Siegburgs zu genießen.
Florian Tuercke
*1977 in Nürnberg
lebt und arbeitet in Nürnberg und Gdansk